Wie viel Freiraum ist möglich und wie verspielt darf Kirche sein? Trotz vieler Worte und großzügiger Gesten, wie wertvoll zweckfreies Tun und Lassen doch sei, herrscht auch im kirchlichen Leben erheblicher Anpassungsdruck, wie man sich zu verhalten und Rollenerwartungen nicht zu enttäuschen habe. Playing arts ist da radikal anders und kann wie eine Erfrischungskur wirken. Statt wie gewohnt Verhaltensregeln zu folgen, sind hier Leben, Kreativität und Spiritualität spielerisch verbunden.
Playing arts entstand in den 1980-er Jahren als Bewegung im Rahmen von spiel- und theaterpädagogischer Fortbildungen in einer ehemaligen Bildungsstätte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), im Burckhardthaus Gelnhausen. Vierzig Jahre später, in einer Zeit, in der die Kirchen sich bange fragen müssen, wie sie Menschen noch ansprechen können, ist playing arts wieder aktuell. Man verfolgt damit keine direkten religiösen oder missionarischen Ziele, denn jeder Mensch kommt im freien Spiel seinen persönlichen Themen selbst auf die Spur. Aber oft zeigen sich dabei religiös-spirituelle Fragen und Facetten.
Bei playing arts gibt es nur Anregungen, inhaltlich wie formal, aber niemals direktive Anleitungen. Jeder verfolgt seine eigene Spur, aber die Teilnehmenden geben sich gegenseitig Resonanz. Diejenigen, die anleiten, sind leicht ansprechbar, kontrollieren aber nichts, sondern spielen selbst mit und probieren etwas aus.
In Zeiten von Corona, wenn Treffen von Gruppen in Räumen nicht möglich sind, verlegt das Netzwerk der playing artists seine Aktivitäten ins Netz. So wurde bei einer Aktion im Internet dazu eingeladen, eine Maske zu entwerfen, zu bauen und seinen Beitrag mit einem Foto zu teilen. Das Thema »Fest der Masken« durfte, musste man aber nicht als Kommentar zu Corona verstehen. So zeigten sich Frauen und Männer mit vielen verschiedenen kreativen Ideen, mal mit einem aufgeschnittenen Gymnastik-Igelball, der an die Gestalt des Virus erinnert, mal mit einer selbst entworfenen Karnevalsmaske oder auch mit einer vollkompostierbaren Maske aus Gartenkresse im Gesicht.
Birgit Mattausch eröffnete mit drei Freundinnen und Kolleginnen auf Instagram und Facebook das virtuelle Café "Kaffee und Kunsten". Zur Kaffeezeit um 15 Uhr gibt es dort Kreativ-Aufgaben zum Mitmachen. Wer sich anregen lässt, kann vor allem Neues im gewohnten Alltag ausprobieren. So machen die vier "Komplizinnen", awie sie sich neckisch nennen, den Vorschlag, Kaffee nicht nur zu kochen und zu trinken, sondern auch zu verkleckern. Was man mit einem Kaffeefleck machen kann? Bei solchen Spielereien kann man fröhlich werden, sich vielleicht kindlich frisch und lebendig fühlen - eine Wohltat gerade im Lockdown.
Publik Forum Nr. 9 14. Mai 2021