Digitale Isolation

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Mobiles Arbeiten ist beliebt, aber nicht immer schön. Ein Blick auf mögliche Stolpersteine

Platzmangel

Homeoffice ist nicht für jede und jeden gut. Kinderlose Paare in einer großen Wohnung können konzentrierter am heimischen Schreibtisch arbeiten als Alleinerziehende oder junge Menschen, die in WGs oder beengten Räumen wohnen. Beim Arbeiten zu Hause kommen Unterschiede im sozioökonomischen Status deutlich zum Tragen. Anders bei traditioneller Büroarbeit: „Das Büro wirkt als großer Gleichmacher, in dem jeder die gleichen Möglichkeiten hat“, erklärt Hannes Zacher, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Leipzig, der in einer Langzeitstudie knapp tausend Erwerbstätige befragt.

Meeting-Marathon

Zwei Stunden und mehr in Videokonferenzen verbringen 93 Prozent aller Arbeitnehmer:innen, ergab eine Umfrage des US-amerikanischen IT-Unternehmens Cisco. Bei einem Drittel machen die Online-Meetings sogar die Hälfte des Arbeitstages aus. Meetings, dicht hintereinander und zu lange, erschöpfen jedoch, führen zu allgemeiner Unzufriedenheit und zu weniger Produktivität.

Fehlende Blickkontakte

Blickkontakte von Mensch zu Mensch spielen eine große Rolle für den sozialen Zusammenhalt in Gruppen sind. Bei Meetings sind sie aber kaum möglich. Außerdem sind auf kleinen Bildschirmausschnitten Mimik und Gestik schlechter zu sehen und zu interpretieren. Stimme und Stimmlage sind durch Mikrofone und Lautsprecher verändert. Um diese Mängel auszugleichen braucht man bei Meetings mehr Aufmerksamkeit, das heißt mehr Anstrengung bei weniger Belohnung durch soziale Verbundenheit.

Beziehungspflege kommt zu kurz

Extrovertierte Menschen haben ein größeres Bedürfnis nach sozialem Kontakt als Introvertierte. Sachbezogene Gespräche laufen online genauso gut, aber beziehungsorientierte Kontakte kommen zu kurz. Meetings sind auch wenig geeignet für die Lösung von Konflikten.

Teams zerfallen leichter in Untergruppen

Abteilungen und Teams laufen Gefahr in Untergruppen zu zerfallen. „Eine mögliche Sollbruchstelle ist die zwischen Mitarbeitenden in Präsenz und solchen, die im Homeoffice arbeiten“, sagt Organisationspsychologe Hannes Zacher. Auch eine Studie von Microsoft kommt zu solchen Ergebnissen.

Informationsflut

Eine Flut von Emails und Nachrichten aus dem Chat, unstrukturiert und teilweise missverständlich formuliert, belasten den Arbeitsalltag. Weil es kurze Absprache mit den Kolleg:innen im Büro nebenan und die zufälligen Begegnungen auf dem Flur oder an der Kaffeemaschine nicht mehr gibt, muss man auch wegen kleinster Angelegenheiten schreiben oder chatten. Die Empfänger:innen kostet es viel Zeit und Mühe, die vielen Nachrichten zu lesen, zu sortieren und zuverlässig abzuarbeiten. Wichtige Informationen gehen so immer wieder in der Emails-Flut unter.

Der Krankenstand sinkt nur scheinbar

Der Krankenstand sinkt. Die weit verbreitete Erklärung lautet: Weil Homeoffice mehr Selbstbestimmung über Arbeits- und Freizeit zulässt, falle es leichter, für Bewegung, Sport und gesunde Ernährung zu sorgen. Aber es gibt auch eine weniger erfreuliche Erklärung: Mit Homeoffice steigt der soziale Druck, auf eine Krankschreibung zu verzichten. Da ist zu hören, man sei doch sowieso zu Hause, könne auf dem Sofa mal die Emails checken, diese oder jene Angelegenheit einfach schnell erledigen.

Die Flexibilisierung steigt

Homeoffice ist der Beginn einer neuen Welle von Flexibilisierung. Man nennt es „Büro-Hopping“ oder „Desksharing“ und bedeutet, dass man keinen festen Platz im Büro mehr hat. Stattdessen bekommt man bei Ankunft im Büro einen Platz zugewiesen oder man reserviert ihn zuvor über ein Buchungssystem. So wird weniger Bürofläche benötigt, das spart Kosten. Aber die täglich wechselnde Arbeitsumgebung kann zu erhöhtem Stress führen. Die gestern räumlich noch nahen Kolleginnen und Kollegen sind heute weit entfernt platziert. Die Arbeitsumgebung wird anonym, der soziale Zusammenhalt bröckelt.

 

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