Naturschutz auf Kirchenäckern

Kirchen verpachten viel Land an Bauern. Umweltschützer fordern mehr Anstrengungen zur Förderung der Artenvielfalt auf diesen Feldern. Eine evangelische Gemeinde in Schleswig-Holstein zeigt, wie das gelingen kann

Zwischen Wiesen und Feldern am Elbe-Lübeck-Kanal liegt malerisch das Dorf Berkenthin mit 2000 Einwohnern. Hier ist man traditionell protestantisch. Mitten im Dorf steht die Kirche, schlichter romanischer Bau aus rotem Backstein, der innen mit einem üppig bunten Barockaltar überrascht. Der Kirchengemeinde gehören auch 48 Hektar Ackerland. Dieses Land wird plötzlich viel beachtet. Früher hatte man es einfach immer an Bauernfamilien aus der Gemeinde verpachtet. Jetzt, in Zeiten des Artenschwunds, will die Kirche, dass auf ihren Äckern und Wiesen endlich etwas geschieht für den Naturschutz. Aber die Wende zu mehr Ökologie auf den Feldern, ist nicht einfach.


Überall in Deutschland wird die Forderung laut: Die Kirchen sollen nicht nur über die Bewahrung der Schöpfung predigen. Um glaubwürdig zu sein, müssen sie dafür sorgen, dass auf dem Land, das ihnen gehört, entsprechend gehandelt werde.

 
Land und Landwirtschaft gehören traditionell zur Kirche. Die „Pfarrpfründe“, einige Hektar Land in der Nähe des Pfarrhauses, bewirtschaftete man früher selbst. Als es noch keine Besoldung mit Geld gab, war dieser Ertrag des Pfarrers Lohn. Dazu kamen Erbschaften und Stiftungen, die den kirchlichen Landbesitz vermehrten. In Deutschland

gehören der katholischen Kirche 200.000 Hektar, der evangelischen Kirche 300.000 Hektar Wiesen, Wald und Felder. Zusammen sind das drei Prozent der landwirtschaftlichen Flächen, die in Deutschland bewirtschaftet werden. Das ist eine relevante Größe.

 

Erheblicher Ärger drohte

Das Land gehört in der Regel den Kirchengemeinden. Sie verpachten es an Bauern, die als Pächter entscheiden, wie sie es bewirtschaften. Wenn die Kirchen durchsetzen wollen, dass auf ihrem Land ein ökologischer Mehrwert erwirtschaftet wird, begeben sich ihre Vertreter in der Gemeinde mitten hinein in Konflikte um knappes Ackerland, Landwirtschaft und Naturschutz. So auch in Berkenthin: Jahrzehntelang hatte die Kirche an die gleichen konventionell wirtschaftenden bäuerlichen Betriebe verpachtet. Mitglieder dieser Bauernfamilien sitzen mit im

Kirchenvorstand, der über die Pachtverträge zu entscheiden hat. Die Bauernfamilien spielen eine wichtige Rolle im sozialen Leben im Dorf. Während die einen im Berkenthiner Kirchenvorstand nichts ändern wollten, forderten andere, ab sofort nur noch an Biobauern verpachten. Es drohte erheblicher Ärger.

 

In der Nordkirche, zu der die Gemeinde in Berkenthin gehört, bietet der Agraringenieur Ulrich Ketelhodt, Fachreferent für Landwirtschaft und Ernährung, in solchen Fällen Beratung an. Aus Erfahrung weiß er: „Der Friede auf dem Dorf ist für alle Beteiligten sehr wichtig. Treue zum Pächter ist deshalb ein wichtiges Kriterium bei der Verpachtung. Aber selbstverständlich nicht auf Gedeih und Verderb.“ Bereits im ersten Beratungsgespräch mit dem Kirchenvorstand wurde klar: Die Beteiligten wollten im Dialog eine Lösung finden. „Es ist nicht sinnvoll,

Vorschriften machen zu wollen“, sagt Ketelhodt. „Wenn ein einziger Bauer opponiert, schließen sich die anderen aus Solidarität an, es entsteht eine Front. Lasst uns schauen, was die Bauern freiwillig machen.“

 

Tatsächlich ist die Kündigung der alten Pachtverträge fast nie eine Option. Meistens ist auch kein Biobauer vor Ort, an den man das Land neu verpachten könnte. Und die Betriebe mit konventioneller Landwirtschaft können ihre Kirchenäcker nicht einfach auf Bio-Landwirtschaft umstellen. Weder sind sie dafür qualifiziert, noch haben sie die Möglichkeit, einen Teil ihrer Produkte im rentableren Bio-Sektor zu vermarkten.

 

 „Sehr spannend“ sei das erste Treffen mit den sieben Pächtern des Berkenthiner Kirchenlands verlaufen, berichtet Pastor Wolfgang Runge, seit 25 Jahren im Dienst in Berkenthin. Er und Ketelhodt achteten darauf, dass man sich mit Respekt begegnete und jeder zu Wort kam. Schon bald sagten die Bauern: „Wir verstehen, dass Sie was tun wollen für die Bewahrung der Schöpfung.“ Agraringenieur Ketelhodt, auch Vorsitzender des Evangelischen Dienstes auf dem Land der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), kennt die Öko-Programme der Jamaika-Regierung in

Schleswig-Holstein. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) hat vom Land den Auftrag, Landwirte über diese Ökoprogramme kostenfrei zu beraten. Schließlich einigten sich die drei Seiten Kirche, DVL und Landwirte: Die Knicks, natürlicher Windschutz aus dichten Hecken und Lebensraum für Vögel, werden erweitert. Außerdem legen die Landwirte Blühstreifen und grüne Ackersäume an. Sie verwenden dafür teures regionales Saatgut, bezahlt vom DVL. Für diese Leistungen gibt die Kirchengemeinde den Bauern Pachtverträge, die ein Drittel günstiger sind

als auf dem Markt derzeit üblich.

 

Damit wird auf dem Kirchenland zwar weiterhin konventionell gewirtschaftet. Aber es gibt nennenswerte ökologische Ausgleichsmaßnahmen, die vor allem die Artenvielfalt fördern. Außerdem wurden die Bauern durch die Initiative der Kirche aufmerksam auf die Vorteile, die diese Ökoprogramme ihnen bieten und wollen sie

mittlerweile auch auf Äckern umsetzen, die nicht der Kirche gehören. Solche Erfolge zeigen jedoch auch: Allein auf sich gestellt sind Kirchengemeinden mit der konfliktträchtigen, fachlich und juristisch komplizierten Wende hin zu mehr Naturschutz überfordert. Sie brauchen Unterstützung von ihren Landeskirchen und auch aus der Politik. Dies

gilt auch für die katholische Kirche. Hier werden die Pachtverträge jedoch meistens zentral vom Bistum verwaltet, so dass die einzelnen Gemeinden und Kirchenvorstände oft kaum wissen, was auf ihrem Land geschieht.

 

Mächtiges Agrobusiness

Die größte evangelische Kirche in Deutschland, die Hannoversche Landeskirche, steht noch ganz am Anfang. Nachdem der Druck von der Basis zunimmt, strebt man hier einen „Agrardialog“ an zwischen Kirche, Bauernverbänden und Naturschützern. Aber in Niedersachsen, dem Gebiet der Hannoverschen Landeskirche, ist das Agrobusiness mächtig. Kirchenvertreter werden  schon mal als „ökologische Spinner“ bezeichnet, wenn sie mehr Umweltschutz auf den Agrarflächen fordern. Am weitesten ist die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Hier unterstützt man Kirchengemeinden seit langem. Zum Beispiel mit Veranstaltungen zum Thema „Kirchenland ist Bodenschatz“, bei denen die Agraringenieurin Maren Heincke zusammen mit einem Juristen und einem Mitglied der kirchlichen Verwaltung über Land fährt. Heincke hat viel Erfahrung mit der hochemotionalen Gemengelage vor Ort, wenn auf den Feldern etwas verändert werden soll: Einige der Pächter behaupteten, die Kirche verpachte nur noch an Ökobauern und drohten mit Kirchenaustritt. Dann,so die engagierte Kirchenfrau, müsse man „gegenhalten und etwaskomplexere Information an den Mann bringen.“

 

taz   2. Januar 2019